Bundesrepublik Deutschland
Nachkriegszeit
N
ach 1945 verboten die alliierten Militärregierungen einen Großteil der deutschen Vereinigungen, so auch die Studentenverbindungen. Für Studentenverbindungen wurde dieses generelle Verbot 1950 aufgehoben.
Ab etwa 1947 versuchten sich einige Studentenverbindungen in Westdeutschland und Österreich wiederzugründen. Bis 1950 war die Wiederbelebung des Korporationswesens sehr weit fortgeschritten.
Das Verbot von Korporationen durch die Universitäten wurde einige Jahre später vor Gericht für unrechtmäßig erklärt. Jedoch versuchten einige Universitäten Verbindungen (besonders schlagende) fernzuhalten, indem sie sie nicht als Vereine an der jeweiligen Uni registrierten. Verbote einiger Universitäten, auf dem Universitätsgelände Farben zu tragen, wurden von Gerichten seinerzeit bestätigt; allerdings haben sie heute keine Bedeutung mehr.
Aufgrund der Schwierigkeiten und der ablehnenden Haltung von verschiedenen Seiten wurden die ersten Mensuren nach dem Zweiten Weltkrieg denn auch heimlich und mit ungeklärter Rechtslage gefochten. Polizeiliche Verfolgungen fanden statt, Ausrüstung wurde beschlagnahmt. Im Jahre 1951 wurden die Studenten von Studnitz (Corps Bremensia Göttingen) und Saalbach (Corps Hannovera Göttingen) nach einem auswärts veranstalteten Pauktag in Göttingen "abgefasst". Daraufhin fand vor der Großen Strafkammer in Göttingen ein Prozess statt. Das Urteil vom 19. Dezember 1951 lautete auf Freispruch, da eine Mensur kein Duell mit tödlichen Waffen sei. Körperverletzung mit Einwilligung sei nicht strafbar (§ 226 a StGB) und auch nicht sittenwidrig. Nach einer "Sprungrevision" der Staatsanwaltschaft bestätigte der Bundesgerichtshof das Urteil am 29. Januar 1953 (BGHSt 4/24). Voraussetzung für die Straffreiheit war jedoch, dass die Mensur nicht zum Austragen von Ehrenhändeln diente und dass die verwendeten Schutzwaffen sicherstellten, dass tödliche Verletzungen ausgeschlossen seien.
Der Verzicht auf die Austragung von Ehrenhändeln mit der Waffe wurde dann auch gegenüber dem damaligen deutschen Bundespräsidenten Theodor Heuss bei einem persönlichen Treffen am 8. April 1953 von den Delegationen aller maßgeblichen mensurschlagenden Verbände bestätigt. Damit gehörte das studentische Duellwesen endgültig der Vergangenheit an.
Die volle Anerkennung der Verbindungen durch die Regierung fand 1961 ihren Abschluss, als die Korporationsverbände in die Förderung des Bundesjugendplanes aufgenommen wurden.
Die Verbindungen an Hochschulen der DDR, aus Königsberg, Danzig, Breslau, Prag und Brünn hatten mittlerweile auch ihren Standort nach Westdeutschland oder Österreich verlegt . Dabei hatten viele mit befreundeten Verbindungen fusioniert, um ihre Ressourcen für den Wiederaufbau zu konzentrieren.
Nach und nach gaben viele Dachverbände auch Schuldeingeständnisse zu ihrem Verhalten im "Dritten Reich" ab: zunächst christlich orientierte Verbindungen wie der Schwarzburgbund, die sich dabei an die Kirchen anlehnten.
Jüdische Studentenverbindungen haben sich bis heute nicht wieder gegründet. Ein ausgewanderter jüdischer Dachverband existiert aber immer noch in New York.


Die Studentenbewegung

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it der seit 1965 aufkommenden Studentenbewegung erwuchs den Verbindungen starke Konkurrenz. Diese war ein Teil des internationalen reformerischen Aufbruchs, der besonders 1968 von Berkeley (USA) über Paris, Berlin bis Prag reichte. Die deutsche "68-er"-Generation rebellierte gegen das Totschweigen der Verbrechen des "Dritten Reiches" durch die Elterngeneration und deckte die unaufgearbeiteten Verstrickungen erheblicher Teile der deutschen Wissenschaft in der Hitlerzeit auf. Der die Diskussion bestimmende Teil der damals Studierenden sah die gründliche Aufarbeitung und Abkehr von kompromittierten Traditionen, die das Dritte Reich vorbereitet hatten, als Voraussetzung für jeden weiteren wissenschaftlichen und sozialen Fortschritt an.
Daran hatten die konservativen deutschen Studentenverbindungen kaum Anteil. Das Vertreiben des "Muffs von 1000 Jahren unter den Talaren" betraf auch ihre Sitten und Gebräuche. Das empfanden viele als Angriff auf alle bestehenden Gesellschaftsstrukturen, gegen den sie ihre Traditionen umso mehr verteidigten. Aus diesem Beharrungsvermögen rührt ein Teil der heutigen Vorbehalte gegen studentische Verbindungen. Dabei geht es weniger um deren gemeinschaftsstiftende Elemente als um das Festhalten von als überholt empfundenen Formen, Ideen und den damit einhergehenden (vermuteten) politischen Positionen.
Die Studentenbewegung hat die universitäre Landschaft nachhaltig beeinflusst: Eine erweiterte Mitbestimmung - Drittel- und Viertelparität - in den Universitätgremien der akademischen Selbstverwaltung eröffnete den Studenten eine Fülle an neuen politischen Wirkungsmöglichkeiten. Es existiert heute an den Universitäten eine pluralistische Vielfalt von Vereinigungen. Darunter sind studentische Selbstverwaltungsorgane wie AStA-Referate für hochschul- und gesellschaftspolitische Fragen, politische Fachbereichsinitiativen, Freizeiteinrichtungen, z.B. Studentencafés, Entrepreneur-Vereine und Ausgründungsinitiativen zur Karriere-Förderung. Studentische Dachverbände wie die fzs verstehen sich bewusst als Gegengewicht zu herkömmlichen Verbindungen, lehnen diese ab und bekämpfen sie offen.
Die Verbindungen mussten infolge dieser neuen Tatsachen zunächst einen relativ starken Rückgang des Anteils an Korporierten und der absoluten Mitgliedszahlen hinnehmen. Viele Verbindungen mussten ihren aktiven Betrieb einstellen. Einige, die bisher nur Männer aufnahmen, versuchten sich durch die Aufnahme von Studentinnen zu stabilisieren. Das gelang in einigen Fällen, in den meisten jedoch nicht. Die rückläufige Entwicklung kam erst ab 1980 zum Stillstand. Seit etwa 1985 ist wieder eine Zunahme an neuen Mitgliedern zu beobachten. Viele Verbindungen, die seit 1970 ihren aktiven Betrieb eingestellt hatten, haben ihren Aktivenbetrieb wieder aufgenommen. Dabei folgen die meisten dieser Verbindungen ihren traditionellen Wurzeln, eine deutlich veränderte inhaltliche Ausrichtung ist eher selten zu beobachten.


Deutsche Demokratische Republik (DDR)

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n der DDR galten Studentenverbindungen als Relikt aus bürgerlichen und feudalistischen Zeiten, als den Kindern der werktätigen Bevölkerung der Zugang zu den Universitäten versperrt war. Aus der Sicht der neuen kommunistischen Führung sollten jetzt die Kinder der Arbeiter studieren, für die Symbole und Rituale des Klassenfeindes war jetzt kein Platz mehr. Die an den Hochschulen der DDR ansässigen Studentenverbindungen versuchten, so viel Material und Erinnerungsstücke wie möglich in den Westen zu retten und dort an einer anderen Universität eine neue Existenz aufzubauen. Die in der DDR verbliebenen Alten Herren verhielten sich unauffällig, nicht wenige halfen beim "Aufbau des Sozialismus" mit, einige kamen sogar deswegen aus dem Westen und erreichten in der DDR hohe Positionen. Die Erinnerung aber an die alten Traditionen wurde aus dem Bewusstsein der Bevölkerung weitgehend getilgt.
Aber schon in den frühen 60er Jahren begannen sich Studenten in der DDR wieder für die studentischen Traditionen zu interessieren, wobei jedoch vorsichtig und heimlich Material von Dachböden zusammengesucht werden musste. Erster Punkt des Interesses war das alte Studentenlied, dann kamen die Traditionen der Kneipe und des Kommerses. Einige begannen sich auch für das studentische Fechten (Mensur) zu interessieren.
Während in den 60er und 70er Jahren die Aktivitäten noch unsystematisch und ungezielt abliefen und auf reine Freizeitgestaltung ausgerichtet waren, bildeten sich in den frühen 80er Jahren die ersten DDR-Studentenverbindungen. Aus den sich nach und nach entwickelnden Verbindungen ergaben sich immer mehr Kontakte untereinander. Am 29. Mai 1986 gab es ein erstes offizielles Zusammentreffen von Vertretern verschiedener Verbindungen aus Dresden, Erfurt, Halle (Saale), Jena, Leipzig und Magdeburg in Schmiedeberg im Gasthaus "zur Schmiede".
Im Januar 1988 versuchte die Staatsmacht, die ganze Angelegenheit, die bis dahin im Untergrund lief, zu kontrollieren. Dazu wurde in Halle(Saale) der Kulturbund-Freundeskreis "Studentische Kulturgeschichte" gegründet, der bis Mai 1989 bestand. In diesem Zeitraum wurden staatlicherseits auch zwei Schallplatten mit Studentenliedern produziert.


Die deutsche Einheit

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ach der Wende von 1989 wurde es auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR wieder möglich, die Studentenverbindungen an den Universitäten neu zu beleben. Viele Verbindungen verlegten ihren Sitz aus dem Westen erneut an alte Heimatuniversitäten wie Jena, Leipzig, Halle, Rostock, Greifswald, Dresden, Freiberg und Tharandt. Es kam dabei zu Wiedergründungen und einigen Neugründungen. Teilweise wurden neue Universitätsstädte wie Potsdam und Frankfurt/Oder für Verbindungen erschlossen.
Studentenverbindungen im Gebiet der neuen Bundesländer haben damit zu kämpfen, dass ihre Tradition seit 1933, also seit über 70 Jahren, von den jeweils herrschenden politischen Systemen negativ belegt wurde. Auch fehlen die für das Verbindungsleben wichtigen Alten Herren im Umfeld einer Universitätsstadt.
Obwohl heute noch einige Verbindungen (vorwiegend in der Deutschen Burschenschaft) aufgrund ihrer "Verbundenheit mit dem deutschen Volk" nur ethnische Deutsche als Mitglieder aufnehmen, hatten die meisten Verbindungen - teilweise schon seit dem 19. Jahrhundert - ganz selbstverständlich auch ausländische Mitglieder. Aufgrund der Globalisierung nimmt der Trend natürlich zu. Heute gibt es "deutsche" Verbindungsstudenten nicht nur aus fast allen Ländern Europas und verschiedenen Teilen Amerikas, sondern auch aus Asien und Afrika.