Geschichte der heutigen Verbindungen

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tudentenverbindungen im heutigen Sinne entwickelten sich an deutschsprachigen Universitäten seit etwa 1800. Sie übernahmen einzelne Elemente der älteren Formen studentischer Zusammenschlüsse und entwickelten sie weiter.
Nach dem Verbot der Studentenorden bildeten sich neue Formen selbstverwalteter studentischer Zusammenschlüsse, die später so genannten Corps. Sie trugen in der Anfangszeit noch ganz unterschiedliche Namen wie "Landsmannschaft", "Gesellschaft", "Kränzchen", "Club" usw. Sie verbanden äußere Elemente der Orden - straffes Reglement, verbindliche Zusammengehörigkeit, geheime Identitätssymbole - mit denen der alten Landsmannschaften - lateinische Landesnamen, farblich einheitliche Kleidung (Vorläufer der Couleurs) und schufen so die ersten Verbindungen heutigen Typs.
Bereits in den ersten, frühen Definitionen des Corpsstudententums wird ausdrücklich betont, dass politische Betätigung keine Aufgabe der Corps sei. Schon in den Anfangsjahren war es den Mitgliedern freigestellt, welche politische Überzeugung sie persönlich hegen. Diese Grundauffassung wirkt sich bis heute dahingehend aus, dass Corpsstudenten vielen verschiedenen politischen Richtungen und Parteien angehören, aber nach Ansicht der Corps einen besonderen, überdurchschnittlichen Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung genommen haben.




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eu an ihnen war auch, dass sie sich an jeder einzelnen Universität zu Senioren-Conventen (SC) zusammenschlossen und ein studentisches Gesetzeswerk erstellten, das für alle Studenten der Universität verbindlich war: den SC-Comment. Der Grund waren die damals üblichen rauen Sitten und Gebräuche, die nach damaliger Auffassung nur durch „geschriebene Gesetze“ eingedämmt werden konnten. Analog dazu wurde seit der Französischen Revolution und der napoleonischen Besatzung von den Herrschern die schriftliche Fixierung von Bürgerrechten zur Eindämmung der Herrscherwillkür verlangt.
Auf diese Weise entstand eine Frühform der demokratisch verfassten studentischen Selbstverwaltung.
Das Streben nach Verbindlichkeit und demokratischen Strukturen mit dem Anspruch auf positive Beeinflussung des Studentenlebens und der Landesentwicklung legte den Grundstein für die Entwicklung der für den deutschen Sprachraum typischen Studentenverbindungen. Damals waren die deutschen Länder noch weit davon entfernt, ihren Bürgern Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit einzuräumen. Daher waren die selbstverwalteten studentischen Zusammenschlüsse in den meisten deutschen Ländern bis 1848 verboten oder unterlagen strengen Genehmigungsauflagen. Diese Vorschriften wurden jedoch nicht überall gleich streng kontrolliert und geahndet.




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nnerhalb der frühen Corps regten sich bald Bestrebungen, die landsmannschaftliche Gliederung der Studenten an den Universitäten abzuschaffen und alle Studenten („Burschen“) in einer einheitlichen "Burschenschaft" zusammenzuführen. Auch in der Politik sollte die Kleinstaaterei zugunsten eines vereinten Deutschlands abgeschafft werden. Einer der Protagonisten dieser Ideen war zum Beispiel „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn.
Schon kurz nach den Befreiungskriegen gründete sich am 1. November 1814 in Halle (Saale) eine Teutonia, die noch stark in den landsmannschaftlichen Traditionen der frühen Corps verwurzelt war. Sie verwendete zwar noch nicht die Bezeichnung "Burschenschaft", verfolgte aber schon ähnliche Ziele und stellte sich bereits gegen den Senioren-Convent (SC) der Corps.
Die burschenschaftliche Bewegung breitete sich bald im gesamten deutschen Raum aus und stellte einen Gegenpol zu den frühen Corps und ihren SCs dar, die bis dahin die Gesamtvertretung für die Studenten einer Universität beanspruchten.
Bei einem Treffen von etwa 500 Studenten auf der Wartburg am 18. Oktober 1817 (dem Jahrestag der Reformation und Völkerschlacht bei Leipzig) gründete sich die Allgemeine Deutsche Burschenschaft, die ein deutschlandweiter, burschenschaftlicher Zusammenschluss aller Studenten sein sollte. Während der Zusammenkunft kam es auch zu einer ursprünglich nicht geplanten Verbrennung von symbolbeladenen Gegenständen und von Büchern durch eine Gruppe besonders radikaler Studenten. Bei den Wartburgfesten 1818 und 1819 waren jeweils etwa 3.000 Burschen anwesend, was in etwa ein Drittel der gesamten Studentenschaft des Deutschen Bundes war.




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ie Burschenschaften waren von Anfang an politische Organisationen mit politischen Forderungen: vor allem nach demokratischen Reformen und Deutschlands Einigung. Die Corps dagegen verstanden sich als Zusammenschlüsse zur gemeinsamen Regelung des studentischen Lebens.
Die Obrigkeit nahm auf diese Gegensätze keine Rücksicht: Nach den Unruhen 1819 und einem politischen Mord eines Burschenschafters verbot der Deutsche Bund alle selbstverwalteten studentischen Zusammenschlüsse. Diese Karlsbader Beschlüsse galten bis 1848. Sie wurden verschieden streng gehandhabt, führten aber zu Gefängnisstrafen, Berufsverboten und Ausweisung für einige Burschenschafter.
Die regelmäßigen Verfolgungen seitens der Behörden machten immer wieder Schließungen und Wiedergründungen erforderlich. Doch das hinderte weder die Corps noch die Burschenschaften an ihrer Ausbreitung und Weiterentwicklung.