Kaiserzeit

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as Kaiserreich wurde vom Großbürgertum und Adel beherrscht und geprägt. Deren politische Ziele glichen sich stark an. Die Verbindungsstudenten gehörten nun zur etablierten Führungsschicht und stützten diese. Ihre Mitglieder besetzten höchste Positionen im Staat: So wurden Otto von Bismarck und Kaiser Wilhelm II. zu ihrer Studienzeit Corpsstudenten.Die Industrialisierung ließ nun auch in der Arbeiterschaft eine politische Kraft entstehen: Sie organisierte sich seit etwa 1860 in Gewerkschaften, seit 1871 in der neugegründeten SPD. Auch dort spielten einige Verbindungsstudenten wie Karl Marx, Wilhelm Liebknecht und Ferdinand Lassalle eine hervorragende Rolle.Dennoch sahen die Arbeiter die Studentenverbindungen überwiegend als Gegner, da diese die konservativ-nationalen Ideen und Ziele des Bürgertums verkörperten. Diese Konstellation besteht bis heute: Vertreter des linken politischen Spektrums kritisieren das gesamte Verbindungswesen oft scharf.Um 1900 wurden schrittweise Frauen zum regulären Universitätsstudium zugelassen. Schon 1899 bildeten sich die ersten Zusammenschlüsse von Studentinnen, von denen einige verbindungsähnlichen Charakter hatten.
Auch die Studentenzahl nahm um diese Zeit stark zu: Manche Quellen sprechen von über 1.300 Studentenverbindungen und 49 verschiedenen Dachverbänden. Das deutsche Kaiserreich gilt bis heute als Blütezeit der Studentenverbindungen: weniger wegen der absoluten Mitgliederzahlen, eher wegen des hohen gesellschaftlichen Ansehens in weiten Teilen der Bevölkerung. Die steigenden Studentenzahlen führten auch zu zahlreichen Neugründungen von Verbindungen mit neuen individuellen Grundsätzen und Aufspaltung von bestehenden Studentenverbindungen in verschiedene Strömungen. So entstanden in dieser Zeit die Turnverbindungen, die im Gegensatz zu den Turnerschaften zunächst das öffentliche Tragen von Couleur, später auch die Mensur ablehnten.



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ie zunehmende gesellschaftliche Etablierung und die fortschreitende Einbindung der Alten Herren veränderten das Verbindungsleben grundlegend. Besonders durch die Gründung der ersten Altherrenverbände (Verband Alter Corpsstudenten 1888) bildete sich eine neue finanzielle Grundlage. Viele Verbindungen leisteten sich nun Angestellte und bauten bald die ersten Korporationshäuser, meist als prunkvolle Jugendstilvillen oder historisierende "Ritterburgen".Der Erste Weltkrieg beendete diese "alte Burschenherrlichkeit". Alle gesunden jungen Männer mussten in den Krieg. Das brachte auch vielen Studenten und Akademikern die Einberufung, das Ende der Karriere oder den Tod. Das Universitätsleben kam praktisch zum Erliegen. Nur zum Teil konnten Alte Herren oder verwundete Kriegsheimkehrer den Betrieb mühsam aufrecht erhalten. Die Hochschulen schlossen zwar nicht, aber viele Verbindungen mussten suspendieren. Manche erholten sich nicht mehr davon. Vor allem Damenverbindungen wurden nach 1918 nicht wieder aktiviert.